Güterverkehr in der Grenzregion bleibt Herausforderung
Unzureichende und umständlich nutzbare Bahnkapazitäten, Verteuerung der ohnehin schon belastenden Transportkosten auf der Straße durch Aufschläge auf die CO2-Steuer, fehlende Infrastruktur für nachhaltige Antriebskonzepte: All diese Themen wurden bei einem Austausch des deutsch-schweizer Wirtschaftsbündnisses bei der Villinger LCV GmbH am Freitag, 23. Feruar, diskutiert. Vertreter von Interessenverbänden trafen dort mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann zusammen – und die Liste der an den Minister adressierten Probleme der Branche beiderseits der Grenze war lang.
Die LCV GmbH am Standort Villingen hatte bis dato wohl noch nie so viele prominente Besucher auf einmal erlebt: Zahlreiche Interessenvertreter des deutsch-schweizer Wirtschaftsbündnis trafen dort mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann und der Landtagsabgeordneten Martina Braun (Bündnis 90 / Die Grünen) zusammen, um auf die Situation der Schiene als Gütertransportweg zu schauen. Das Wirtschaftsbündnis wünschte sich Antworten auf drängende Fragen rund um den Güter- und Personenverkehr auf den beiden Hauptbahnachsen, der Gäubahn und der Rheintalbahn.
Im Fokus: Gütertransport auf der Schiene
Im Fokus des Treffens mit dem Minister standen die aktuellen Probleme rund um den Gütertransport auf der Schiene: Häufige Streckensperrungen wegen Sanierungsarbeiten, ineffiziente Streckenführungen und unzureichende Kapazitäten durch eingleisigen Ausbau wurden im Verlauf des Nachmittags thematisiert. Zwar sei die deutsche Bahn inzwischen serviceorientierter und engagierter geworden, doch das könne die Probleme und Unzuverlässigkeit im Gütertransport von und in die Schweiz durch Baden-Württemberg nicht ausgleichen, so der Tenor seitens der Wirtschaftsvertreter.
Die schweizerischen Interessenvertreter berichteten sogar von einer drohenden Abkehr ihrer Regierung von der bisherigen Partnerschaft mit Deutschland als Transportachse: So seien Sondierungsgesprächen mit den Bahngesellschaften Frankreichs und den Beneluxländern aufgenommen worden, um mehr Zuverlässigkeit in den Gütertransport auf der Schiene nach und von Norden zu erzielen.
Wirtschaftsbündnis Stuttgart-Zürich
Das Wirtschaftsbündnis besteht von deutscher Seite aus den Industrie- und Handelskammern entlang der Gäubahn (IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, IHK Nordschwarzwald, IHK Reutlingen, IHK Hochrhein-Bodensee). Von schweizerischer Seite sind der Wirtschaftsverband econosuisse, der Speditionsverband Spedlogswiss, die Handelskammer Deutschland-Schweiz und die Handelskammer Zürich sowie die Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Schaffhausen Teil des Bündnisses. Gemeinsames Ziel ist der Ausbau der Gäubahn von Zürich nach Stuttgart.
Ausweichlösung Straße: immer teurer, schlechte Infrastruktur
Ramon Walter (rechts) im Dialog mit Minister Winfried Hermann
All die vorgenannten Probleme zwängen den Güterverkehr schon seit Jahren auf die Straße, so der Erfahrungsbericht von IHK-Vizepräsidentin Bettina Schuler-Kargoll (IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg), was nicht im Sinne der grünen Landesregierung sein könne. Möglicherweise werde das aber noch verteuert durch eine zusätzliche Maut für die Benutzung von Landes- und Kommunalstraßen durch Lkw, wie sie die Landesregierung derzeit plane, was für eine weitere Verteuerung von Transporten sorgen würde.
Ramon Walter, Geschäftsführer der LCV GmbH sowie der Muttergesellschaft Bächle Logistics GmbH in Villingen und damit mittelbar Gastgeber des Treffens mit dem Minister, legte mit seinem Erfahrungsbericht hinsichtlich der praktischen Einsetzbarkeit von Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeuge noch einen weiteren Problemkreis mit in die Waagschale der Problemthemen, mit dem sich die Beteiligten konfrontiert sehen: „Fehlende Lade-Infrastruktur für Elektro-Lkw und fehlende oder unzureichende Betankungsmöglichkeiten für Wasserstoff-Lkw machen es für uns unmöglich, diese ohnehin schon teureren Fahrzeuge im Verkehr zwischen der Schweiz und Deutschland sinnvoll zu disponieren“, so Walter.
So seien Wasserstoff-Lkw manchmal tagelang nicht für eine Rückfahrt aus der Schweiz betankbar, könnten deshalb nicht mit Fracht zurückfahren, was die Wirtschaftlichkeit weiter eingrenzt. „Die Fahrzeuge sind technisch gut, aber die fehlende Infrastruktur macht sie schwer bis gar nicht wirtschaftlich einsetzbar“, begründete Ramon Walter die Entscheidung der Speditionsgruppe, einen der Wasserstoff-Lkw künftig in Nordrhein-Westfalen und nicht mehr im Raum Süddeutschland einzusetzen – dort seien ausreichend H2-Tankstellen vorhanden, um einen geregelten Betrieb disponieren zu können.
Aussicht auf besser koordinierten Trassenausbau?
Der Landesverkehrsminister nahm sich nicht nur Zeit für ein kurzes Vier-Augen-Gespräch mit Ramon Walter vor dem Start der Diskussionsrunde, sondern ging auch ausführlich auf die Problemstellungen ein, die die Runde beschäftigten. Schnelle Lösungen hatte er zwar nicht, aber immerhin potenzielle Fortschritte bei der Ausgestaltung der Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten für die beiden Bahntrassen. So sei man im intensiven Dialog mit der Bahn, die ein Umdenken im Management erkennen ließe, was die Gestaltung der Arbeiten an der Gäubahn angehe. Statt der Sanierung in vielen kleinen Schritten und entsprechend häufigen Sperrungen sei angedacht, künftig in „Hochleistungskorridoren“ alle erforderlichen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen auf einmal abzuarbeiten, um mit weniger Sperrungen der Strecke mehr zu erreichen. Gerade für den Ausbau der Schiene, aber auch für den Erhalt des Straßennetzes sei die angedachte Maut eine wichtige Finanzierungsmöglichkeit des Landes. Andernfalls sei er bald gezwungen, Straßenschließungen wegen nicht finanzierbarer Arbeiten an Brücken und Fahrbahnen zu verkünden.
Umgerechnet auf das transportierte Produkt sei die Maut aber meistens eine den Gesamtpreis nur gering belastende Größe. Was die Infrastruktur für alternative Antriebe angehe, so sehe er hier eher die Energiewirtschaft und die Transporthubs der Wirtschaft in der Pflicht. Sein Beispiel: Daimler Truck gehe hier im Verbund mit Volvo voran und plane ein gemeinsames Ladenetz für Lkw im Land.
„Mittelstand wird wahrgenommen“
Die Befürchtung des IHK-Hauptgeschäftsführers Thomas Albiez (IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg), dass bei all den zu finanzierenden Aufgaben der Zukunft der Mittelstand nicht gehört, sondern nur zur Zahlung herangezogen werde, widersprach Hermann: „Wir nehmen Sie ernst. Das zeigt auch unser Dialog heute.“ Man müsse sich gemeinsam Gedanken machen, wie man die Herausforderungen der Zukunft hinbekomme. Eine Senkung von Steuern und Abgaben sehe er dabei nicht als probates Mittel, eher nutzungsorientierte Abgaben wie die Maut.
Das Panel (von links): Lukas Federer (econosuisse, zugeschaltet per Videokonferenz), Martina Braun (Landtagsabgeordnete), Minister Winfried Hermann, Bettina Schuler-Kargoll, Philipp Hilsenbeck und Thomas Albiez (jeweils (IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg)